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DIE GESCHICHTE DER FERTIGHAUS-COCKTAILGLAS-ANALOGIE

Ein Versuch von Willi Mayer und der Hochschule Mannheim.


Nicht selten stehen die Holzbauweise und der klassische Massivbau nebeneinander auf dem Prüfstand. Ein häufiges und zugegebenermaßen nicht ganz aus der Luft gegriffenes Argument für den Massivbau ist die größere thermische Masse und das damit verbundene „Wohlfühlklima“. Technisch gesprochen wird hier mit der höheren Wärmespeicherfähigkeit der Gebäudehülle argumentiert. Um dieses vermeintliche Alleinstellungsmerkmal der Steinwand mit dem modernen Fertighausbau in Holzbauweise zu vereinen, haben sich Forscher des CeMOS der Hochschule Mannheim in Zusammenarbeit mit der Firma Willi Mayer Holzbau GmbH & Co. KG aus Bisingen, am Fuße der schwäbischen Alb, etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Sie „pimpen“ ihre Wände mit einem Material das unter den richtigen Voraussetzungen die 10fache Wärmespeicherfähigkeit von Beton aufweist. Phase Change Materials (PCM), zu Deutsch Phasenwechselmaterialien, werden diese verheißungsvollen Wundermittel genannt. Der dabei interessante Effekt beruht auf einem alltäglichen Vorgang. Ein Stoff vollzieht einen Phasenwechsel von fest nach flüssig (er schmilzt). Hierfür benötigt er eine vergleichsweise hohe Menge an Energie. Diese Energie wird der Umgebung in Form von Wärme entzogen. Er speichert also Wärme ein. Das Besondere ist allerdings, dass er, solange der Phasenwechsel noch nicht abgeschlossen ist, dabei seine Temperatur nicht ändert. Somit kann eine große Wärmemenge genau bei der Schmelztemperatur des entsprechenden Stoffes gespeichert werden. Das führt dazu, dass z. B. ein Cocktail im Sommer dank der Eiswürfel lange angenehm kalt bleibt. Das PCM, im Falle des Cocktails einfach Wasser, vollzieht einen Phasenwechsel von fest nach flüssig und nimmt dabei Wärmeenergie aus der Umgebung, also dem Cocktail, auf.


Da die Zieltemperatur des Cocktails von ca. 0 °C beispielsweise für die Wohnraumklimatisierung eher ungeeignet wäre, muss die Schmelztemperatur des eingesetzten Phasenwechselmaterials der entsprechenden Anwendung angepasst werden. Zu diesem Zweck wurde eine spezielle Mischung aus Salzhydraten entwickelt deren Schmelztemperatur genau der gewünschten Raumtemperatur von 21 – 22 °C entspricht. Das Material wird in Behältern aus Polyethylen mit einem Fassungsvermögen von je einem Liter verpackt. Die an Kühlakkus erinnernden Verkapselungen müssen dann so in die Gebäudehülle integriert werden, dass ein möglichst hoher thermischer Kontakt zur Innenraumluft gewährleistet ist. In einem Pilotprojekt wurde dies auf dem Firmengelände der Firma Willi Mayer in Form eines Testgebäudes realisiert.


Die Firma Willi Mayer Holzbau GmbH & Co. KG ist Hersteller und Generalunternehmer, moderne zukunftsweisender Holzbauten. Vom Einfamilienhaus bis zum mehrgeschossigen Holzbau werden die Gebäude individuell den Wünschen der Bauherrschaft angepasst und umgesetzt. Die Häuser der Firma Willi Mayer werden auf höchsten Standards und mit einem sehr hohen Automatisierungsgrad in der Holz-Fertigbauweise hergestellt. Für das Projekt wurde ein kleines Gebäude mit einer Gesamtfläche von knapp 18 m² errichtet und in zwei identische Räume, welche durch einen kleinen Flur getrennt sind, unterteilt. In einem der Räume wurde das verkapselte PCM in zwei hinterlüfteten Schichten innerhalb der Wände installiert. Der andere blieb leer. So konnten insgesamt 992 kg des Materials verbaut werden.



Zusätzlich wurde das Gebäude mit reichlich Sensorik ausgestattet. Nach einer Monitoringphase von 87 Tagen, von Mai bis August 2019, wurden die Messdaten ausgewertet. Die Testphase bestätigte die Erwartungen deutlich. Das Speichermaterial hat einen stark dämpfenden Effekt auf die Raumtemperatur. Gerade im Schmelzbereich des PCM können Temperaturspitzen erfolgreich abgefangen werden.


Obwohl im Testszenario keine aktive Abkühlung der Elemente herbeigeführt wurde, wie sie in einer normalen Wohnsituation z. B. durch abendliches Lüften zustande käme, dauerte der Schmelzvorgang sogar in sehr heißen Perioden etwa eine Woche lang an. Gleiches kann auch beim umgekehrten Fall, also dem Temperatureinbruch und entsprechend dem Kristallisationsvorgang des PCM, beobachtet werden.


Das Fazit der Wissenschaftler ist klar: Diese Technik ist richtungsweisend und hat das Potenzial das Wohnklima, gerade in Leichtbauhäusern, erheblich zu verbessern. Das System wird in weiteren Untersuchungen aktuell noch weiter optimiert um beispielsweise den Platzbedarf zu minimieren oder die Verkapselungen als modernes und gleichzeitig schallabsorbierendes Element im Raum zu integrieren.





Des Weiteren wird unter Hochdruck daran gearbeitet das Material auch in einem zentralen Speicher unterzubringen um die Be- und Entladung durch eine geregelte Zwangsbelüftung zu realisieren, die z. B. mit der ohnehin verbauten Lüftungs- und Wärmerückgewinnungsanlage kombiniert werden könnte. Doch bereits jetzt ist klar: Diese Technologie könnte der Schlüssel zum endgültigen Durchbruch der ohnehin stark wachsenden Leichtbaubranche sein. Also denken Sie bei Ihrem nächsten eisgekühlten Cocktail daran, dass sich hinter dieser uralten Idee eine zukunftsweisende Innovation in der Gebäudetechnik verbergen könnte.







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